BFH zu Betriebsstätten: dauerhafter Zugang zu Co-Working Space oder Spind kann zu Betriebsstätte führen

BFH zu Betriebsstätten: dauerhafter Zugang zu Co-Working Space oder Spind kann zu Betriebsstätte führen

BFH-Urteil I R 47/21: Wann liegt eine steuerfreie Betriebsstätte im Ausland vor?

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 18. Dezember 2024 (I R 47/21) entschieden: Ein Unternehmer kann auch dann eine Betriebsstätte im Ausland begründen, wenn er sich Räumlichkeiten mit anderen teilt – sofern ihm diese dauerhaft für zentrale unternehmerische Tätigkeiten zur Verfügung stehen. Der Fall zeigt: Auch kleinere Unternehmer können durch geschickte Auslandsnutzung Einkünfte von der deutschen Besteuerung freistellen.

Mit diesem Urteil bleibt der BFH seinem früheren Urteil aus 2012 in einem ähnlich gelagerten Fall (I R 21/11 treu.

 

Details:

1. Worum ging es im Fall I R 47/21?

Ein deutscher Taxiunternehmer war Mitglied einer schweizerischen Taxifunkzentrale. Dadurch hatte er Zugang zu einem Büroraum in der Schweiz – mit eigenem, abschließbarem Container. In diesem Raum führte er zentrale Tätigkeiten durch:

  • Personalverwaltung für seine Fahrer
  • Buchführung
  • Geschäftsleitung
  • Einhaltung behördlicher Auflagen

Der Raum wurde gemeinsam mit zwei weiteren Unternehmern genutzt. Eine exklusive Nutzung durch ihn lag also nicht vor. Dennoch sah der BFH die Voraussetzungen einer ausländischen Betriebsstätte als erfüllt an – mit dem Ergebnis: Die Einkünfte aus der Tätigkeit in der Schweiz waren in Deutschland steuerfrei, unterlagen aber dem Progressionsvorbehalt.

 

2. Warum wurde eine Betriebsstätte anerkannt?

Der BFH betonte mehrere Kernelemente:

  • Dauerhafte Verfügungsmacht: Der Unternehmer konnte regelmäßig und eigenverantwortlich auf den Raum zugreifen. Der eigene Container galt als Indiz.
  • Zentrale Tätigkeiten: Es handelte sich nicht um Nebensächlichkeiten. Buchführung, Personalsteuerung und Leitung sind typische Unternehmeraufgaben.
  • Verwurzelung mit dem Ort: Nicht nur räumlich, sondern auch organisatorisch war der Betrieb mit dem schweizerischen Standort verbunden.

 

3. Was bedeutet das für die Praxis?

 

Auch kleine Unternehmer können Betriebsstätten begründen

Selbst wenn kein eigenes Büro gemietet wird: Wer regelmäßig Zugriff auf einen Raum im Ausland hat, kann eine Betriebsstätte begründen – etwa durch Mitgliedschaft in einer Genossenschaft oder Kooperationsgemeinschaft.

Zentrale Aufgaben zählen – nicht nur körperliche Tätigkeit

Ein Taxiunternehmer wird nicht nur durch das Fahren von Fahrzeugen tätig. Auch administrative und leitende Tätigkeiten gehören zum Kerngeschäft. Werden diese im Ausland ausgeübt, kann das entscheidend sein.

Kein Automatismus: Hilfstätigkeiten reichen nicht

Nur Rechnungen sortieren oder Formulare ausfüllen im Ausland – das reicht nicht. Die Tätigkeit muss unternehmerisch wesentlich sein.

 

4. Zu beachten gelten zusätzliche Aspekte im Kontext internationaler Besteuerung, u.a.

 

a) Wieviel Gewinn entfällt auf die Betriebsstätte wirklich?

Der Gesamtgewinn des Unternehmens muss zwischen Stammhaus und Betriebsstätte aufgeteilt werden. Dabei spielen die jeweiligen Tätigkeiten eine wesentliche Rolle. Je nachdem, welche Tätigkeiten in der ausländischen Betriebsstätte ausgeübt werden, kann der Gewinn höher oder niedriger ausfallen. Es ist darauf zu achten, dass – sollte man das bewusst gestalten – der Gewinn ausreichend ist und am Ende tatsächlich ein ausreichender Gewinn im Ausland anfällt.

b) Wird der ausländische Gewinn in Deutschland durch die Hinzurechnungsbesteuerung nachversteuert?

Die Hinzurechnungsbesteuerung erfasst bestimmte (passive) ausländische Einkünfte, die im Ausland einer effektiven Besteuerung von weniger als 15% unterliegen. Danach werden diese Einkünfte in Deutschland dem deutschen Steuerniveau unterworfen. Passiv können Einkünfte aus Handel und Dienstleistungen auch werden, wenn sie durch eine schädliche Mitwirkung aus Deutschland heraus erwirtschaftet werden. Der Begriff der schädlichen Mitwirkung ist unscharf. Grob formuliert, ist davon auszugehen, wenn Arbeitskräfte des deutschen Stammhauses in den Leistungsprozess integriert werden. Das muss mitberücksichtigt werden.

 

5. Exkurs: Spind = Betriebsstätte? Der Fall des britischen Flugkapitäns

Bereits 2012 entschied der BFH in einem ähnlich gelagerten Fall (I R 21/11): Ein britischer Flugkapitän war bei einer irischen Fluggesellschaft angestellt und flog regelmäßig von Leipzig aus. Dort hatte er dauerhaften Zugang zu einem Crewroom inklusive eigenem Spind.

Die Richter stuften den Spind – in Verbindung mit der Nutzung des Crewrooms – als ausreichende feste Geschäftseinrichtung der Fluggesellschaft in Deutschland ein.
→ Folge: Betriebsstätte in Deutschland, Beschränkte Steuerpflicht der irischen Gesellschaft für den hier ausgeübten Teil der Tätigkeit.

Parallele zum Urteil I R 47/21:
Auch hier war der eigene, gesicherte Zugang zu einem Raum(teil) ausschlaggebend. Entscheidend ist nicht, wie „groß“ oder exklusiv der Ort ist – sondern ob eine dauerhafte unternehmerische Nutzung möglich ist.

 

6. Fazit: Raum teilen – Steuern sparen?

Das Urteil I R 47/21 zeigt: Es braucht keine exklusiven Büros, um eine Betriebsstätte im Ausland zu begründen.
Was zählt, ist die Verfügbarkeit, die Dauerhaftigkeit und die unternehmerische Bedeutung der ausgeübten Tätigkeiten.

Tipp: Wer regelmäßig im Ausland arbeitet – auch in geteilten Räumen – sollte die steuerliche Betriebsstättenthematik frühzeitig prüfen lassen. Gestaltung ist möglich, aber auch Fehlbewertungen sind teuer.

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